Gunter Ullrich
Ein Leben für die Kunst
Ursprünglich stammte Gunter Ullrich aus Würzburg und war Sohn des kulturell aktiven Lehrerehepaars Heinrich und Emma Ullrich. Zu ihrem Freundeskreis gehörten auch bildende Künstler wie die Familie Schiestl. Schon in frühen Jahren durfte Ullrich im Unterricht seines Vaters mit den anderen Schülern modellieren und zeichnen. Maßgeblich beeinflusst wurde Ullrich durch den Zeichenunterricht bei Heiner Dikreiter, dem späteren Direktor der Städtischen Galerie Würzburg.
Frühe Jahre und Kriegserlebnisse
Gunter Ullrich schrieb sich 1942 nach dem vorgezogenen Abitur als Student der Kunstgeschichte an der Universität Würzburg ein. In den folgenden drei Monaten brachte ihm der Kunsthistoriker Kurt Gerstenberg den Renaissance-Künstler Albrecht Dürer näher. Sein heimliches Interesse galt bereits damals den Impressionisten und Expressionisten, die zu den „entarteten Künstlern“ gezählt wurden.
Seine Pläne wurden ab 1942 aufgrund des Kriegsdiensts durchkreuzt: Er kämpfte bei den Panzertruppen in Südfrankreich und später in Russland. Trotz einer Kriegsverletzung an der rechten Hand, zeichnete Ullrich unermüdlich mit links weiter. In einem Lazarett unweit der Kurischen Nehrung (Litauen) hielt der junge Künstler seine Eindrücke detailgetreu auf Papier fest. Seit 2002 erinnern Ullrichs Zeichnungen in Form einer Dauerausstellung in Kelme (Litauen) an die Kriegsereignisse der damaligen Zeit.
Im Januar 1945 überlebte Ullrich eine verheerende Panzerschlacht in Ostpreußen und kehrte in Folge dessen nach Deutschland zurück. Dort erfuhr er von dem Luftangriff auf Würzburg am 16. März 1945 und wurde kurze Zeit später selbst Zeuge der zerstörten Stadt. Erst ab den 1960er Jahren verarbeitete Ullrich den Luftangriff und seine Kriegserlebnisse u.a. in der Werkreihe „Würzburg brennt“: Das Hauptwerk dieser Serie bildet der Farblinolschnitt „Die Apokalyptischen Reiter über Würzburg“, an dem der Künstler von 1965 bis 1972 immer wieder arbeitete.
Nach Kriegsende wurde Ullrich in ein Kriegsgefangenenlager in Marseille und später im Elsass interniert. Während seiner Inhaftierung war Ullrich von der Wirkung des südlichen Lichts und der Intensität der Farben in der Provence beeindruckt. Diese Eindrücke sollten ihn auch auf seinen späteren Reisen nach Italien, Frankreich und Spanien immer wieder faszinieren und künstlerisch beeinflussen. Ab den 1950er Jahren entstanden dabei zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle, die seinem Gesamtwerk einen mediterranen Charakter verliehen.
Studium in München und das Künstler-Ehepaar Ullrich
In München begegnete Ullrich während seines Studiums an der Akademie der Bildenden Künste (1948-1952) seiner späteren Ehefrau Ursula Jacobi. Dort heiratete er die Bildhauerin und Tochter des aus Berlin stammenden Komponisten Wolfgang Jacobi (1894-1972). Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung siedelte die Familie nach Aschaffenburg über, wo Ullrich an der Oberrealschule (dem heutigen Friedrich-Dessauer-Gymnasium) seine Arbeit als Kunsterzieher aufnahm. Fortan lebte das Künstlerehepaar mit Sohn Andreas in der neuen Heimat und wirkte aktiv am Kunstgeschehen der Stadt mit. Gemeinsam waren sie an zahlreichen Kunstprojekten im öffentlichen Raum beteiligt: Sie gestalteten u.a. das Bronzeportal des Aschaffenburger Rathauses und arbeiteten am steinernen Kriegerdenkmal für Rothenbuch.
Gunter Ullrich und Aschaffenburg - seine fränkische Heimat
Der mehrfach ausgezeichnete Kunst- und Kulturpreisträger der Stadt Aschaffenburg setzte sich künstlerisch insbesondere mit seiner fränkischen Heimat auseinander. Bekannt ist er v.a. für seine druckgrafischen Landschaftsdarstellungen, seine gesellschaftskritische „Stuhl-Serie“ und die Werkreihe „Würzburg brennt“, in der er die Zerstörung seiner Heimatstadt im Zweiten Weltkrieg thematisierte.
Gleichzeitig prägte der lebensfrohe Künstler die Aschaffenburger Kulturlandschaft aktiv durch sein langjähriges Engagement. Als während der Nachkriegszeit das kulturelle (Er-)Leben in der Stadt nahezu stillstand, setzte Ullrich alle Hebel in Bewegung: Er kämpfte für die Anerkennung fränkischer Künstler und war Mitbegründer der Künstlergruppe „Kontakt“ (1962-1967). In einer Zeit in der die Abstraktion in der Kunst dominierte, sprach sich die Gruppe für eine gegenständliche Darstellungsweise aus.
Ausstellungsmöglichkeiten schaffen
Gunter Ullrich setzte sich für geeignete Ausstellungsmöglichkeiten im Raum Aschaffenburg ein. Seine Bemühungen und die enge Zusammenarbeit mit Vertretern der Stadt führten dazu, dass die im Krieg zerstörte Jesuitenkirche (ab 1976) in eine Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst umgewandelt wurde. Er war Gründungsmitglied und Vorsitzender des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) in Aschaffenburg, der den Künstlern bis heute ein stärkeres öffentliches Auftreten in der Stadt ermöglicht. Neben seiner Initiative für zeitgenössische Künstler, rief Ullrich auch das Werk Ernst Ludwig Kirchners wieder ins Bewusstsein der Menschen. Der in Aschaffenburg gebürtige Expressionist lebte aufgrund der Verfolgung in der NS-Zeit im Schweizer Luftkurort Davos, wo er nach dem Krieg in Vergessenheit geriet. Durch seine länderübergreifenden Vorträge sorgte Ullrich für ein wachsendes Interesse an Kirchner und an der expressionistischen Malerei.
Bedeutender Chronist seiner Zeit
Seine Kunstwerke haben für die Stadt Aschaffenburg und die Region Mainfranken einen bedeutenden dokumentarischen Wert. Als Chronist seiner Zeit fing Ullrich jahrzehntelang die Entwicklungsphasen seiner Wahlheimat Aschaffenburg in seinen Kunstwerken ein. Er setzte sich künstlerisch mit dem Zweiten Weltkrieg und den Folgen auseinander und hielt die soziokulturellen Ereignisse und Veränderungen der Nachkriegsjahre bis in die heutige Gegenwart fest. Gunter Ullrich zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der Region Mainfranken und zu ihren wichtigsten Zeitzeugen des 20. und 21. Jahrhunderts.
Am 10. November 2018 ist der Graphiker, Maler und Pädagoge Gunter Ullrich im Alter von 93 Jahren in Aschaffenburg/Leider gestorben. Sein künstlerisches Werk ebenso wie sein Wirken als engagierter Pädagoge und seine herzliche Persönlichkeit hinterlassen prägende Spuren in der ganzen Region.